reformiert.lokal 11.1 - «Ist Gott ein Mann?»

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Maja Ramsauer,
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«Ist Gott ein Mann?»

Die meisten Bezeichnungen für Gott, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament sind (grammatikalisch) männlich: Gott ist Vater, Schöpfer, König, Herrscher, Hirte… Gott tröstet aber auch wie eine Mutter. Zugleich gibt es bei vielen reflexhafte Abwehrreaktionen, wenn eine Pfarrerin beispielsweise von Gott als Mutter spricht oder Gott als «die Ewige» bezeichnet und das Pronomen «sie» benutzt. Gehen manche eben doch insgeheim davon aus, dass Gott ein Mann ist? Hat er dann auch Bartwuchs?

Wer von der Ewigen spricht, irritiert unsere Sprachgewohnheit. Sprache prägt uns und schafft gewissermassen auch Realitäten. Wir reden von dem Heiligen Geist (grammatikalisch männlich) und gehen darum davon aus, dass der Geist eben auch männlich «ist». Aber im griechischen Text des Neuen Testaments ist der Heilige Geist grammatikalisch ein Neutrum (to pneuma), im Hebräischen des Alten Testaments ist Geist grammatikalisch weiblich (Ruah). Aber genauso wenig wie «das Kind» ein Neutrum oder «die Schildkröte» immer weiblich ist, ist der/das/die Geist/pneuma/ Ruah männlich, ein Neutrum oder weiblich. Logisch, oder?

Ich denke, Gott ist viel diverser, als wir uns das überhaupt vorstellen oder mit unserer Sprache ausdrücken können. Auch waren Menschen nicht zu allen Zeiten so festgefahren auf Geschlechter-Binarität. In der mittelalterlichen Mystik beispielsweise wurde die Seitenwunde Christi metaphorisch als Uterus interpretiert, um die Wiedergeburt der Seele durch Christus zu symbolisieren. Solche Bilder mögen fremd wirken, aber sie zeigen: Menschen konnten schon vor gut 1000 Jahren von Gott so reden, wie er unsere heutigen Kategorien sprengen würde. Warum also halten wir so fest an «ihm»? Vielleicht, weil wir gelernt haben, Macht, Stärke und Autorität (was wir gemeinhin mit Gott assoziieren) mit Männlichkeit zu konnotieren? Und weil wir Weiblichkeit, oder was damit assoziiert wird, nach- oder gar unterordnen? Haben Sie übrigens gemerkt, dass Männlichkeit, Macht, Stärke und Autorität (zumindest im Deutschen) grammatikalisch alle weiblich sind? Ironisch, nicht? Wer Gott nur männlich denkt, übernimmt unbewusste Muster, macht Gott kleiner und eigene Vorstellungen ärmer. Und legt sich selbst fest: So gibt es Generationen von Buben, die gelernt haben, dass ein «echter Mann» keine Gefühle zeigt – und Mädchen haben gelernt, dass sich Wut für eine Frau nicht ziemt. Wie wenig hilfreich solche Muster sind, wissen wir längst.

Darum braucht es manchmal auch Irritation. Wer einmal «die Ewige» hört, stolpert vielleicht, aber dieses Stolpern kann ins Nachdenken führen. Neue Worte öffnen den Horizont – nicht um der Provokation willen, sondern damit wir uns bewusst machen: Gott ist mehr als das, was unsere Sprache und unsere Gedanken zulassen. Am Ende aber bleibt: Wir brauchen Bilder, um von Gott zu sprechen. Wir dürfen «er» sagen, wir dürfen auch «sie» sagen – aber wir sollten wissen, dass wir damit nicht das letzte Wort haben, denn Gott entgleitet jeder Grammatik. Gott ist Ursprung, Beziehung, Liebe. Grösser als alle unsere Schubladen. Und vermutlich lächelt Gott auch darüber, dass wir meinen, ihn / sie / es mit ein paar Buchstaben definieren zu können. Vielleicht freut er sich über unsere Suche, vielleicht schmunzelt sie über unsere Mühe, vielleicht denkt es einfach: «Hauptsache, ihr redet mit mir.»
Monika Götte, Pfarrerin



Pfarrerin Dr. theol.
Monika Götte
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